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Frühstück ist die (un)wichtigste Mahlzeit des Tages! Oder?

Frühstück ist die (un)wichtigste Mahlzeit des Tages! Oder?

Veröffentlicht am 29.7.2023

Frühstück: Die wichtigste Mahlzeit?

Oh, Frühstück. Heiliges Frühstück. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe. Oder so ähnlich.

Kürzlich verabredete ich mich mit einem Freund zum Frühstück. Um 09:00 Uhr. Nur, dass ich um diese Zeit noch nichts esse – nicht aus religiösen Gründen oder weil jemand das irgendwo geschrieben hat, sondern weil mein Körper zu dieser Zeit kein Verlangen nach fester Nahrung hat. Mir genügt auch eine Tasse Tee zum guten Gespräch.

Mein Freund jedoch war, wie wohl viele andere potenzielle Frühstückskollegen, reichlich perplex. Zuerst verstand er mich nicht richtig, da er dachte, ich wolle nur keine Brötchen essen, und fragte nach Alternativen, die er mir anbieten könne. Als er mich dann verstand, wirkte er zwischen befremdet und verblüfft. Der erste verbale Austausch am Morgen bestand natürlich aus der Frage, ob ich wirklich wirklich nichts frühstücken wolle – ganz sicher? Echt jetzt?

Ich sage dir, die Bundesrepublik Deutschland ist der wahre „Breakfast Club“. Es ranken sich Mythen und Legenden um diese Mahlzeit. Hätte Franz Ferdinand Ende Juni 1914 nur ausgiebiger gefrühstückt, wäre vielleicht alles anders gekommen…

Es geht hier eigentlich gar nicht so sehr um das Frühstück, sondern um einen gewissen Essens-Faschismus, den man trendy als „Nutrient Timing“ bezeichnet. Dieser wird in das schillernde Gewand der Wissenschaft gehüllt, um jeden Zweifel im Keim zu ersticken und den Gesprächspartner von der einzig wahren Lehre zu überzeugen.

So ergibt sich eine große Bandbreite an Ratschlägen, die sich mit dem Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme befassen: „Das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des Tages, vor allem fürs Abnehmen!“, „Iss morgens wie ein Kaiser, mittags wie ein König, abends wie ein Bettler!“ und „Wenn du abnehmen willst, keine Kohlenhydrate mehr nach 18:00 Uhr!“. Dann gibt es das andere Extrem, das intermittierende Fasten (IF) propagiert: „In 24 Stunden musst du mindestens 16 Stunden fasten!“, „Keine feste Nahrung vor 14 Uhr!“ und „Iss alle deine Kohlenhydrate als Teil der größten Mahlzeit am Abend!“. Außerdem findest du Sportler, die sagen: „Du musst deine Glykogendepots auffüllen – du brauchst einfache Carbs nach dem Workout, vor dem Workout, vor dem Schlafen und am Morgen!“, sowie: „Das anabole Fenster öffnet sich nur bis 45 Minuten nach dem Training, also trink sofort einen Proteinshake, sobald die Hantel nach der letzten Wiederholung den Boden berührt!“. Und schließlich gibt es noch Mutti, die behauptet: „Kind, du kannst doch nicht ohne Frühstück aus dem Haus!“. Alle diese Aussagen, einschließlich der von Mutti, werden mit Studien untermauert, die ihre Aussagekraft fast so unantastbar erscheinen lassen wie die auf Steintafeln festgehaltenen Gebote, die mal so ein Typ von einem Berg heruntergetragen haben soll.

Bibelreferenzen scheinen ein guter Ansatzpunkt zu sein: Dass all diese sich gegenseitig ausschließenden Aussagen gleichzeitig absolute Wahrheit sein sollen, weil irgendwo ein Wissenschaftler mit drei Versuchspersonen eine „empirische“ Studie durchgeführt hat, erscheint mir ebenso logisch wie die Vorstellung, dass zehn Religionen alle den einzig wahren Gott verehren. Was/welcher denn nun?

Es ist absolut fatal, sein Hirn auszuschalten, sobald im Zusammenhang mit Ernährungs- oder Trainingstipps Wörter wie „wissenschaftlich“, „Studie“, „neueste Erkenntnisse“ oder Ähnliches auftauchen – unabhängig davon, ob deine bevorzugte Lektüre die FAZ oder die Freizeitrevue ist.

Forschung und Wissenschaft

In der Forschung geht es häufig um Geld, Arbeitsplätze, Ruhm und andere „niedere“ Beweggründe – nicht um die Wahrheit. Es drehen sich die Dinge oft um Veröffentlichungen: Reißerische, bahnbrechende Erkenntnisse, die einen Paradigmenwechsel herbeiführen, werden eher publiziert als gemäßigte Ergebnisse, bei deren Erarbeitung sich penibel an die Prinzipien guter Wissenschaft gehalten wurde. Positive Studienergebnisse landen bevorzugt im Rampenlicht, wo es eigentlich primär um das Widerlegen von Hypothesen gehen sollte. Manchmal sind die Mängel im Studiendesign offensichtlich, manchmal weniger.

Meine Aussagen beziehen sich auf gesundheitliche und sportwissenschaftliche Forschung. Aufsätze zur Quantenphysik lese ich nicht – da wird vielleicht durchschnittlich besser gearbeitet. Aber wenn jemand dir Ernährungsweisheiten oder Trainingsratschläge mit wissenschaftlichem Nachdruck verkauft, frag stattdessen deinen Hausmeister – statistisch dürfte er auch nicht häufiger danebenliegen.

Fruit Loops – Creative Commons License

Frühstück, anaboles Fenster und Kohlenhydrate

Alles Kokolores. „Ey, du übertreibst doch!“ – Nö.

Nutrient Timing wird seit etwa 2000 vermehrt erforscht. Frühe Studien hatten oft grundlegende Schwachpunkte, wie eine zu kurze Studiendauer oder eine am wahren Leben vorbeigehende Operationalisierung der Variablen. Welchen Nutzen hat es, festzustellen, dass Ernährungszeitpunkt X zu einem höheren Stickstoffhaushalt führt, ohne dass daraus Aussagen über Fettabbau oder den Aufbau von Magermasse abgeleitet werden können? Richtig, keinen.

Weitere Studien, die diese grundlegenden Mängel zu vermeiden suchten, berichteten teilweise von positiven Effekten bestimmter Nutrient Timing Strategien – doch spätere Untersuchungen konnten diese Effekte nicht reproduzieren. Ein Zitat aus einer Studie von Alan Aragon und Brad Schoenfeld aus dem Jahr 2012 bringt es auf den Punkt: "Nutrient dosage and timing relative to resistance training is a gray area lacking cohesive data to form concrete recommendations." Diese Grauzone erlaubt es, kaum konkrete Empfehlungen abzugeben, sodass Nutrient Timing im Prinzip nur für Elite-Sportler von Relevanz ist. Falls bei dir dennoch der Gedanke aufkommt: "Elite-Sportler? Muss ich das auch machen!", sollten wir uns nochmal über den tatsächlichen Grenznutzen unterhalten.

Was heißt das für Dich?

Einfach. Hier ist eine Liste an Faktoren, die weitaus wichtiger für deinen Sport- oder Abnehmerfolg sind als die Frage, wann du was isst:

  • Wie viel isst du? Iss, bis dein Hunger verschwunden ist – nicht bis zum absoluten Völlegefühl.
  • Wie isst du? Schlingst du deine Nahrung immer runter? Nimmst du dir nicht die Zeit zu essen, etwa unterwegs in der Bahn, im Auto oder im Gehen? Iss langsam und bewusst, möglichst ohne Ablenkung. Wenn du beim Essen fernsiehst oder Ähnliches machst, schau dir etwas Lustiges an – Lachen fördert die Verdauung!
  • Warum isst du? Aus Hunger, Langeweile, Stress, Niedergeschlagenheit oder aus gesellschaftlichem Zwang?
  • Was isst du? Ich schlage vor: Unverarbeitete, frische Fleischprodukte, wilden Fisch (je kleiner, desto geringer die Schadstoffbelastung und nachhaltiger), frisches Gemüse, frisches Obst, gesunde stärkehaltige Kohlenhydratquellen (wie Süßkartoffeln oder Pseudo-Getreide wie Quinoa) sowie gesunde Fette (zum Beispiel Oliven-, Kokosnuss-, Walnuss- oder Kürbiskernöl beziehungsweise Bio-Butter von grasgefütterten Kühen).

Was heißt das für Dich? (erneut)

Einfach. Hier ist nochmals die Liste an Faktoren, die für deinen Sport- oder Abnehmerfolg entscheidender sind als die Frage, wann du isst:

  • Wie viel isst du? Iss, bis dein Hunger verschwunden ist – nicht bis zum absoluten Völlegefühl.
  • Wie isst du? Schlingst du deine Nahrung immer runter? Nimmst du dir keine Zeit fürs Essen, etwa unterwegs in der Bahn, im Auto oder im Gehen? Iss langsam und bewusst, möglichst ohne Ablenkung. Wenn du beim Essen fernsiehst oder Ähnliches tust, schau dir etwas Lustiges an – denn Lachen fördert die Verdauung!
  • Warum isst du? Aus Hunger, Langeweile, Stress, Niedergeschlagenheit oder aus gesellschaftlichem Zwang?
  • Was isst du? Ich schlage vor: Unverarbeitete, frische Fleischprodukte, wilden Fisch (je kleiner, desto weniger Schadstoffe und nachhaltiger), frisches Gemüse, frisches Obst, gesunde stärkehaltige Kohlenhydratquellen (wie Süßkartoffeln oder Pseudo-Getreide wie Quinoa) sowie gesunde Fette (zum Beispiel Oliven-, Kokosnuss-, Walnuss- oder Kürbiskernöl bzw. Bio-Butter von grasgefütterten Kühen).

Nutrient Timing: Dein Feedback zählt

Du kannst natürlich auf Studien und darauf basierende Artikel oder Bücher zurückgreifen (ein Favorit ist dabei die Renegade Diet von Jason Ferruggia). Wichtig ist aber, dass du lernst, auf deinen Körper zu hören und seine Signale zu verstehen, um herauszufinden, was für dich funktioniert – und dich nicht allein auf die Ergebnisse einer kleinen Studie zu verlassen.

Schau in den Spiegel und beobachte die Waage. Wie fühlst du dich nach der Nahrungsaufnahme? Eine Stunde später? Zwei Stunden später? Wie schläfst du? Hast du zu bestimmten Uhrzeiten Essensgelüste oder Hungerattacken? Fühlst du dich tagsüber energiegeladen und frisch oder eher lustlos und träge? Wie erholst du dich von Trainingseinheiten? Treten ungewöhnliche Symptome wie Kopfschmerzen oder Muskelkrämpfe auf?

Dein Körper liefert dir jede Menge Feedback. Dieses zu nutzen, bringt dir mehr als jede brandneue Studie und gibt dir die einzig zutreffende Antwort darauf, ob Frühstück für dich die wichtigste Mahlzeit des Tages ist.

Weiterführende Informationen: Aragon, Schoenfeld 2013: Nutrient timing revisited: is there a post-exercise anabolic window? – Cover photo courtesy of mikatope (Creative Commons License) – Fruit Loops photo courtesy of nanagyei (Creative Commons License)

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