
Veröffentlicht am 13.6.2023
Ruppert und ich sind uns einig: Dieser Artikel sollte bereits vor langer Zeit erscheinen. Nun möchte ich mich der Aufgabe annehmen und Kelly Starretts sehr guten Gedanken in Artikelform bringen – inspiriert von der Einleitung des Buchs „Werde ein geschmeidiger Leopard“.
Ein neutraler, geschützter Ort
Zunächst möchte ich darauf eingehen, warum das Fitnessstudio ein nahezu perfekter Ort ist, um an sich selbst oder mit Deinem Personal Trainer zu arbeiten. Da gibt es den Bonus eines neutralen Ortes, der weder Dir noch Deinem Trainer gehört. Du bezahlst, um Dich dort sportlich zu betätigen – ein wichtiger Punkt, der Dich psychologisch ermächtigt, Sportgeräte zu nutzen und Neues auszuprobieren.
Ein weiterer Vorteil ist, dass Du unter Gleichgesinnten trainierst, in einer Umgebung, in der alle an einem gemeinsamen Ziel – sportlicher Leistungsfähigkeit – arbeiten.

Die Realität
Die Realität sieht oftmals anders aus. In Fitnessstudioketten begegnen Dir oft Menschen, die brav ihre fünf verschiedenen Bizepscurlmaschinen ausprobieren und Dich komisch ansehen, wenn Du einen Clean & Jerk versuchst oder Kreuzheben korrekt ausführst. Deshalb musst Du Dir ein geeignetes Mindset für das Gym zulegen. Das benötigt Willen, Disziplin und Zielstrebigkeit – Selbstbewusstsein entsteht eben nicht von allein. Bist Du überzeugt, dass Dir die ungewohnte Umgebung hilft, dann geh hin. Als ich im Mc Fit in Leipzig anfing, strotzte ich vor Selbstbewusstsein, obwohl ich noch moppelig und schlecht gekleidet war. Monate später sprach mich ein älterer Muskelveteran an, bewunderte meine Leistung und gab mir wertvolle Tipps.
Dysfunktionen und Haltung
Sobald Du im Gym angekommen bist, kannst Du gemeinsam mit Deinem Trainer oder Trainingspartner an Deinen Problemstellen arbeiten. Das funktioniert besonders gut bei Beschwerden, die aus schlechter Körperhaltung, Dysfunktionen oder fehlerhaften Gelenkmechanismen resultieren. Es gibt eine Vielzahl von Übungen – nicht nur Kräftigungs- sondern auch Dehnübungen sowie gezielte Hinweise wie „Brust raus!“ oder „Schultern zurück und nach unten ziehen!“. Mit solchen Details kannst Du Deine Körperhaltung deutlich verbessern.
Unwissenheit, die fehlende Bereitschaft, einen qualifizierten Personal Trainer zu engagieren, und manchmal auch Faulheit stehen diesem Ziel oft im Weg. Von Bizepscurls wird Dein Rundrücken nicht besser, 60 Minuten auf dem Crosstrainer beseitigen Dein Hohlkreuz nicht – hier gilt: Experimentiere, denn Du befindest Dich in Deinem Labor.
Das Sport- oder Fitnessstudio sollte als Labor für sportliche Leistung betrachtet werden. – Kelly Starrett

Schwächen aufdecken
Kelly Starrett beschreibt es so: Wenn Du einen Overhead-Squat mit 60 kg einwandfrei ausführst, zeugt das von beachtlicher Leistung – bedingt durch die Kraft Deiner Hüfte und Sprunggelenke. Verschärfst Du jedoch die Bedingungen, indem Du vorher 400 Meter läufst und einen schwereren Gegenstand mehrmals hebst, wirst Du höchstwahrscheinlich scheitern. Sein Beispiel zeigt, wie Umfang, Intensität, Stress und Ausdauerreiz zusammenspielen können.
Es kann sinnvoll sein, Dinge einmal anders zu testen, um Deine Schwächen zu erkennen. Der Körper verfügt über viel Stützmuskulatur, die äußere Übungsformen unterstützt, während innerlich Stabilität fehlt – ein hohes Verletzungsrisiko.
Ein weiterer Vorteil für den Personal Trainer
Nicht jeder Personal Trainer ist gleich. Bist Du beispielsweise Ruderer, aber Dein Trainer hat vorwiegend Erfahrung mit Fußballern, kann es schwierig sein, fehlerhafte Bewegungen zu erkennen und zu korrigieren. Im Gym ist das oft einfacher: Das Krafttraining teilt viele Grundlagen mit anderen Sportarten. Beherrschst Du eine korrekte Rudertechnik und nutzt auch die Hilfsmuskulatur richtig, wirst Du dies in der Realität vermutlich auch tun. Andernfalls überprüft der Trainer andere Faktoren wie Beweglichkeit, Stärke, Ausdauer, Koordination oder Gelenkprobleme, um Dich optimal zu unterstützen.

Bewegungsqualität über Alles
Im Studio zählt vor allem die Bewegungsqualität. Eine einwandfreie Technik erlaubt es Dir, eine Übung schwerer, schneller oder häufiger auszuführen. Fehlt diese Qualität, steigt das Verletzungsrisiko erheblich – Ausgleichsbewegungen sollten vermieden werden. Kelly Starrett berichtet, dass sogar Weltklasse-Athleten häufig nicht die perfekte Form beim Kreuzheben oder bei Kniebeugen zeigen, sie erzielen dennoch Spitzenleistungen, da ihr Körper enorm belastbar ist.
Ein Blick in die Meinung
Wir sehen Bodybuilding, Powerlifting und damit auch Bankdrücken und Kreuzheben als eigenständige Sportarten. Für viele andere hingegen stehen Mannschaftssportarten wie Fußball, Volleyball, Football oder Kampfsport im Vordergrund – Krafttraining und Beweglichkeitstraining dienen hier ergänzend. Es ist Zeit, Dein Bewusstsein zu erweitern und klassische Dogmen zu hinterfragen. Lass Dich von allen Sportarten inspirieren und integriere Neues in Dein Training.
Zum Abschluss ein Zitat von Kelly Starrett:
„Wer Rechtschreibung und Grammatik beherrscht, kann einen Satz schreiben. Wenn ein Football-Spieler versteht, wie er an einer Langhantel ein Drehmoment in der Schulter entwickelt, wird er in der Lage sein, die stabile und effektive Schulterstellung einzunehmen, mit der er einen Gegenspieler am besten attackiert.“ – Kelly Starrett, „Werde ein geschmeidiger Leopard“