Warum ein schlechtes Workout okay ist – Die Fünfer Regel
Heute geht es mal wieder um die mentale Komponente des Trainings. Und um schlechte Workouts. Kennst du vielleicht. Denn der beste Trainingsplan für deine Bedürfnisse nutzt dir natürlich nichts, wenn die Motivation auf der Strecke bleibt. Quasi… „Stell dir vor, es ist Training – und keiner geht hin.“
Worum es also geht? Die Fünfer Regel…
Die Fünfer Regel hängt mit der langfristigen Motivation zusammen
Und warum ist DAS wiederum so wichtig? Weil unserer Meinung nach der wichtigste Erfolgsfaktor überhaupt für jedes Trainingsprogramm nicht die perfekte Auswahl der Übungen ist. Nicht die perfekte Kombination aus Sätzen und Wiederholungen. Nicht die perfekte Nahrungsergänzung. Nicht die Frage, ob man mit dem Körpergewicht oder externem Widerstand arbeitet. Das wichtigste ist, dass man die Arbeit leistet. Dass man beständig und somit langfristig durchzieht. Ein Workout nach dem anderen. Kontinuierlich. Egal, obs regnet. Egal, ob die Zeit knapp ist. Egal, ob man Muskelkater hat. Egal, ob die neue Folge von Game of Thrones oder Germany’s Next Topmodel läuft.
Versteh mich nicht falsch. Ich bin kein Befürworter davon mit einer echten Verletzung, unter Schmerzen oder mit einem grippalen Infekt zu trainieren. Es geht hier nicht um Dummheit. Aber wenn du niemals Widerstände überwindest, und dich nicht auch mal zum Training zwingen kannst, wenn die Umstände nicht perfekt sind und du dich nicht erst mit 20 Minuten Nike Werbespots auf Youtube in Fahrt gebracht hast – dann wirst du mit deinem Training nicht wirklich was erreichen, Punkt.
Das war schön. Wo war ich? Beständigkeit. Widerstände überwinden. Motiviert bleiben. Das alles hängt mit der Fünfer Regel zusammen.
Die meisten werden es schonmal erlebt haben: Nach einer Phase der Faulheit ist man endlich besten Willens, langfristig und ehrgeizig seine Trainingsziele zu verfolgen. Oftmals hängt dieser Plan mit einem Blick in den Spiegel zusammen, und/oder damit, ob die aktuelle Seite des Kalenders den 01. Januar beinhaltet. Und man meint es ernst. Und man legt los. Und die ersten zwei Workouts sind vielleicht ätzend. War ja zu erwarten, du faules Miststück, sagt man sich. Aber langsam kommt man in seinen Rhythmus. Die Workouts werden besser. Vielleicht hat man auch ein, zwei richtig gute, man ist in der „Zone“, es läuft. Es macht Spaß. Und dann kommt es, die ganze Zeit hat es auf deinen Moment der Schwäche gewartet: Ein richtig beschissenes, mieses Drecksworkout. Schon bevor es los ging, hast du dich drauf gefreut, dass es endlich vorbei ist. Keine Energie, keine Lust. Mit dem Kopf ganz woanders. Und auch deine körperliche Leistung war schon längst viel besser als das, was du da gerade ablieferst. Gut, dass dich keiner sieht, hm? „Wofür mach ich das eigentlich!?“ …
Solche Workouts können einem das Genick brechen. Alles für die Katz. Bringt ja eh nischte. Warum nicht lieber ne leckere Pizza…
Auftritt: Die Fünfer Regel
Die Fünfer Regel ist weiß Gott nicht meine Erfindung. Für solch profunde Erkenntnisse bin ich nicht halbwegs intelligent genug. Die Fünfer Regel stammt von Dan John, und je länger ich trainiere, desto sicherer bin ich mir: Der Mann hat verdammt nochmal recht!
Die Fünfer Regel ist schnell erklärt. Alle fünf Workouts haben wir:
• Drei durchschnittliche nichts-besonderes-ist-passiert Workouts
• Ein Workout, das so gut lief, dass wir, wenn wir so weitermachen, in zwei Jahren bei Olympia am Start sind
• Und ein Workout, das so unfassbar mies ist, dass man die Vorhänge zuziehen und sich mit einem Pott Ben&Jerry’s vor die Glotze setzen möchte, um sich später im Zuckerkoma in den Schlaf zu weinen
Die Sache ist. Das ist okay! Also, die Gefühlsachterbahn. Das Eis stellen wir ganz schnell wieder zurück, ne? Aber ganz schnell!
Es ist enorm wichtig, wie du mit diesen beschissenen Workouts umgehst, ohne vor lauter Frust gleich komplett aufzugeben.
Ich spreche aus eigener Erfahrung. Die Idee für diesen Artikel kam, als ich selber wieder eine dieser super räudigen Einheiten hatte. Nach einer sehr guten Woche beim Gewichtheben mit neuen Bestleistungen, habe ich mich angestellt, als hätte ich noch nie eine Hantel angefasst. Dabei fühlte ich mich bei den ersten Warm-Up Sätzen noch super motiviert, dynamisch und explosiv. 45 Minuten später gingen meinem Trainer die Worte aus, mir zum dreißigsten Mal in Folge zu erklären, was ich falsch mache (ein Fehler, den ich vorher noch keinmal gemacht hatte, der sich aber durch die gesamte Einheit zog). Und die kleine Stimme im Kopf wurde immer lauter: „Warum bin ich hier?“ „Ich lern das nie.“ „Die Hantel ist aber ganz schön schwer.“ „Was gibts eigentlich zum Abendessen?“ „Gott, jetzt noch Stoßen? Bringt ja eh nix…“
Der Trick: Erwartungsmanagement
Der Schlüssel dazu liegt einerseits im Umgang mit den besonders guten Trainingseinheiten. Ja, es wäre schön, wenn jedes Workout grandios liefe. Es wäre auch schön, wenn man mir beim Schreiben dieses Artikels Luft zuwedelte, mich massierte und mit Trauben fütterte. Heißt aber nicht, dass das auch passiert. Es ist wichtig, nach einer besonders guten Einheit auf dem Teppich zu bleiben und nicht völlig durchzudrehen. Wenn du einen zehn Euro Schein auf der Straße findest, planst du doch auch nicht gleich deinen frühzeitigen Ruhestand, weil du die nächsten Jahre € 3650,- zusätzlich im Jahr hast, oder? Also.
Wie wird man sportlich eigentlich besser? Extrem vereinfacht? Indem man sich permanent neue Herausforderungen sucht, und diese abarbeitet. Um sich konstant zu verbessern. Warum sollte also das Training im Zeitverlauf einfacher werden? Du wirst besser, du steigerst die Belastung, deine Ansprüche. Das Training bleibt hart. Das ist normal. Das ist gut so. Du wächst am Widerstand. Nicht nur körperlich, sondern auch mental. Wenn der Scheiß einfach wär, säß ich nur zwischen Weltrekordhaltern, Mr. Olympias und Bikini Models in der Bahn. Soll ich mal die Menschen in der Bahn für dich fotografieren!?
Woher kommt eigentlich diese beknackte Idee, dass etwas – in unserem Fall Training – immer besser wird? Nenn mir mal etwas, dass du regelmäßig tust, das immer nur besser wird. Dein Essen? Meine Freundin und ich waren die Tage in einem wirklich guten Restaurant. Omnomnom. Ich hab mir aber nicht geschworen, nie wieder was zu essen, nur weil meine eigene Kochkreation zwei Tage später so aufregend schmeckte wie ein HIPP Gläschen. Nichts wird immer nur besser. Nicht das Wetter, nicht Sex, nicht das Zähneputzen am morgen. So ist das Leben. Komm klar.
Und ganz praktisch? Es ist okay, dass mal ein Training nicht so gut läuft. Dass du nicht jedesmal Höchstleistung abrufen kannst. Ich will keine Lanze dafür brechen, im Gym rumzupimmeln. Aber wenn du einen miesen Tag hast, sei nicht so hart zu dir. Es ist auch okay, mal ein bisschen Gewicht runterzunehmen. Ein paar Wiederholungen weniger zu machen. Das wird nicht die Regel. Das hier ist das „fünfte Workout“. Mach dir nix draus, bleib entspannt, und kämpfe an einem anderen Tag mit neuer Energie weiter.
Wenn du dir Ziele setzt und beschließt, dafür zu trainieren, dann sind die Scheißworkouts Teil der Abmachung. Jeder kann ein geiles Training haben und weiter trainieren. Was trennt die Menschen, die ihre Trainingsziele erreichen von denen, die schon wieder vorm Spiegel stehen und Vorsätze machen? Ihr Umgang mit den Widerständen, die so sicher kommen, wie das Amen in der Kirche. Was sie trennt ist jedes fünfte Workout.
Title photo courtesy of Danielle M. Harms (creative commons license)
Bottom photo courtesy of Leg Dog (creative commons license)
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