
Veröffentlicht am 20.6.2023
3 Gründe: Kalorien zählen ist Zeitverschwendung
Kalorien zählen. Gutes, altes Kalorien zählen. Seit Jahrzehnten bewährt und unabhängig von gängigen Ernährungsdogmen wird es oft als Königsweg zum Abnehmen bezeichnet. Solltest du also Kalorien zählen, um abzunehmen?
Für die meisten Menschen ist das eine grauenhafte Vorstellung – das Auswiegen der Nahrungsmittel, ständiges Nachschlagen in widersprüchlichen Nährwerttabellen und Schwierigkeiten beim spontanen Essen unterwegs.
Die Frage bleibt: Lohnt sich das?
Warum es Sinn macht
Es gibt viele Ursachen für Übergewicht, doch sicher ist, dass Übergewicht nur entsteht, wenn mehr Energie aufgenommen als verbraucht wird. Die Thermodynamik lehrt uns, dass Energie weder geschaffen noch verloren geht, sondern nur umgewandelt wird. Damit Energie als Körperfett in den Fettzellen gespeichert wird, muss sie zunächst in den Körper gelangen.
Kalorien sind eine Maßeinheit für Energie. Beim Zählen vergleichst du die Energiezufuhr mit dem Energieverbrauch – prinzipiell vernünftig, ABER…
Wie sieht Kalorien zählen in der Praxis aus?
Zunächst wird dir häufig geraten, deinen Grundbedarf zu berechnen. Online-Rechner fragen nach Geschlecht, Körpergröße, Gewicht und Alter – und liefern einen Kalorienwert. Doch die Auswahl an Optionen für körperliche Aktivität reicht von „den ganzen Tag im Bett“ bis zu unrealistischen Szenarien wie „3 Stunden Training täglich“.
Danach wiegst du dein Essen oder orientierst dich an vorgegebenen Portionen, um anhand der Nährwertangaben den Kaloriengehalt zu bestimmen. Beispiel: Dein Müsli hat 430 kcal pro 100 g, bei 50 g ergeben sich 215 kcal. Wenn du Zusätze einrechnest, wird es noch komplizierter.
Ich stell mir den perfekten Start in den Tag anders vor!
Warum es höchstens zufällig funktioniert
Die Frage bleibt: Lohnt es sich wirklich? Ist die Methode zuverlässig?
Wie weißt du genau, wie viele Kalorien in einem Lebensmittel stecken? Durch Verbrennung in einem Bombenkalorimeter werden die gesamte Energie und damit verbundene Messwerte ermittelt, die als Grundlage für Nährwertangaben dienen.
1. Annäherungen in Nährwertangaben
Untersuchungen zeigen, dass die Werte auf Verpackungen, in Datenbanken und Nährwerttabellen von den tatsächlichen Werten um bis zu 25% abweichen können. Ursachen hierfür sind ungenaue Labormessungen, Ballaststoffe, produktionabhängige Unterschiede, saisonale Schwankungen, Reifegrad, Frische, Tierernährung sowie Zubereitungsmethoden.
2. Verdauung
Bei der Verdauung nimmt ein gesunder Mensch etwa 97% der zugeführten Nährstoffe auf, wobei letztlich etwa 91% der enthaltenen Energie zur Verfügung stehen. Bei Nahrungsunverträglichkeiten und Allergien kann dieser Wert deutlich sinken. Selbst wenn du die Kalorienzahl genau kennst, weißt du nicht, wie viele Kalorien deinem Stoffwechsel tatsächlich nutzen.
3. Unklarer Energieverbrauch
Die Berechnung deines Energiebedarfs mittels Online-Rechnern ist nur eine grobe Schätzung. Dein Energieverbrauch setzt sich zusammen aus:
- Ruhestoffwechsel: Energie für die Aufrechterhaltung deiner vitalen Funktionen, etwa 75% deines Bedarfs.
- Thermischer Effekt der Nahrung: Energie, die für Verdauung und Nährstoffaufnahme benötigt wird – variabel je nach Makronährstoff.
- Körperlicher Aktivität: Aktivitäten im Alltag wie Gehen, Treppensteigen oder sportliche Betätigung.
Da diese Faktoren individuell sehr unterschiedlich sind, liegen die Schätzwerte oft deutlich daneben. Selbst die präziseste Formel, die Mifflin-Formel, kann Abweichungen von bis zu 43% aufweisen.
Wenig Wissen, große Ungewissheiten
Wir wissen nicht genau, wie viele Kalorien in der Nahrung stecken, wie viele davon deinem Körper nach der Verdauung zur Verfügung stehen und wie viele du letztlich verbrennst. Hinzu kommen individuelle Umweltbedingungen, genetische Faktoren, Unterschiede im Mikrobiom und hormonelle Abweichungen.
Fazit
Ich rate dir grundsätzlich vom exakten Kalorienzählen ab – es sei denn, du hast mit deinem Training bereits viel erreicht und verfolgst anspruchsvollere Ziele in Leistung oder Körperzusammensetzung. Falls andere Strategien nicht funktionieren, kann Kalorienzählen als Ausgangslage dienen, um deine Nahrungszufuhr gezielt anzupassen.
Title photo courtesy of CGP Grey (Creative Commons License)
Bomb Calorimeter photo courtesy of Linda Sandec (Creative Commons License)