3 Gründe warum Kalorien zählen Zeitverschwendung ist

Kalorien zählen. Gutes, altes Kalorien zählen. Seit Jahrzehnten bewährt und unabhängig von etwaigen vorherrschenden Ernährungsdogmen nach wie vor häufig als Königsweg zum Abnehmen bezeichnet. Solltest du also Kalorien zählen, um abzunehmen?

Für die meisten Menschen eine absolut grauenhafte Vorstellung. Auswiegen der Nahrungsmittel mit der Küchen-/Feinwaage. Ständiges Nachschlagen in irgendwelchen Datenbanken oder Nährstofftabellen, die sich auch noch massiv widersprechen. Unterwegs spontan was snacken oder mit Freunden essen gehen – ziemlich schwierig.

Insofern die berechtigte Frage: Lohnt sich das?

Warum es Sinn macht

Es gibt viele Ursachen, die zu Übergewicht führen können. Gesichert ist jedoch, dass Übergewicht als notwendige Bedingung einen Energieüberschuss voraussetzt. Eigentlich logisch: Die Gesetze der Thermodynamik lehren uns, dass Energie nicht geschaffen wird und nicht verloren geht – sie wird lediglich übertragen (transferiert). Damit Energie in einen Energiespeicher, im Falle von Körperfett also v.a. Triglyceride in Fettzellen, eingelagert werden kann, muss diese zusätzliche Energie erstmal in den Körper gelangen.

Die Grundidee ist also nicht schlecht: Denn Kalorien sind nichts anderes als eine Maßeinheit für Energie. Und beim Kalorien zählen vergleichen wir die Energie, die wir aus unserer Nahrung aufnehmen mit der Energie, die wir den lieben langen Tag „verbrauchen“. Damit nicht mehr reinkommt als rausgeht. Klingt soweit vernünftig, ABER…

Wie sieht denn Kalorien zählen in der Praxis aus?

Zuerst wird dir in der Regel geraten, deinen „Grundbedarf“ zu errechnen. Dafür gibts diverse Rechner im Internet. Du gibst dein Geschlecht, Körpergröße, Gewicht und ggf. noch dein Alter ein – und am Ende kommt irgendein Kalorienwert heraus. Und was deine körperliche Aktivität angeht, kannst du im Idealfall aus drei bis fünf „absolut individuell maßgeschneiderten Optionen“ auswählen, die von „ich liege den ganzen Tag nur im Bett“ bis „3h Training am Tag, Baby, beruflich verlege ich Bahngleise“ reichen. Also absolut realistisch für die meisten von uns. Nicht.

Wie bereits beschrieben wiegst du jetzt dein Essen aus oder kaufst es in passenden Packungsgrößen/Portionen, und kannst dann mit Hilfe der durchschnittlichen Nährwertangaben ausrechnen, wie viele Kalorien du gegessen hast. Sagen wir, du frühstückst Müsli. Dein Müsli der Wahl hat 430kcal/100g. Du isst 50g Müsli. Das sind 215kcal. Und wenn du dein Müsli nicht staubtrocken magst, darfst du die jetzt auch noch abmessen und ihren Kaloriengehalt ausrechnen…

Also ich stell mir den perfekten Start in den Tag anders vor!

Warum es höchstens zufällig funktioniert (und du dir die Zeit & Mühe sparen kannst)

Okay, wir sind immer noch bei der Frage: Lohnt es sich? Ist es notwendig? Ist es zuverlässig?

Woher weiß man eigentlich, wie viele Kalorien ein Lebensmittel hat? Man verbrennt es. True story. In einem Bombenkalorimeter. Dabei wird die gesamte im Lebensmittel gespeicherte Energie gemessen.

Und solche Stichprobenergebnisse finden dann Einzug in Nährwertkataloge, aus denen dann die Nährwerte für dein Müsli, deine Salami und dein Snickers berechnet werden.

1. Die Werte auf Verpackungen, in Datenbanken und Nährwerttabellen sind Annäherungen

Und weichen laut Untersuchungen von den tatsächlichen Werten um bis zu 25% ab! Das ist eine ganze Menge.

Warum ist das so? Viele Ursachen spielen mit rein: Ungenaue Labormessungen, Ballaststoffe (die zwar im Labor komplett verbrennen, aber in unserem Verdauungstrakt wenig bis nicht absorbiert werden), Abweichungen in den Lebensmitteln (produktionsbedingt, saisonal, bodenbedingt), Reifegrad zum Zeitpunkt der Ernte, Frische, die Ernährung der Tiere, die du isst, Zubereitungsmethode und -dauer…

2. Verdauung

Bislang ging es um Vorgänge außerhalb des Körpers. Man nimmt an, dass ein gesunder Mensch ca. 97% der zugeführten Nährstoffe aus dem Verdauungstrakt in den Körper aufnehmen kann und dabei ca. 91% der enthaltenen Energie letztlich zur Verfügung stehen. Das ist der Fall für ein gesundes Individuum mit einer problemlos funktionierenden Verdauung. Darüber verfügen die wenigsten Menschen – Nahrungsunverträglichkeiten und Allergien sind nur zwei beispielhafte und gleichzeitig weit verbreitete Ursachen, die zu Entzündungen des Verdauungstraktes und eingeschränkter Absorption führen.

Selbst wenn du genau wüsstest, wieviele Kalorien in einer Mahlzeit stecken, wüsstest du nicht, wie viele Kalorien davon deinem Stoffwechsel zur Verfügung stehen.

3. Du weißt nicht, wie viel Energie du verbrauchst

Genau wie die annäherungsweise Berechnung der Kalorien in einem Lebensmittel, sind auch die Berechnungen deines Energiebedarfs per Kalorienrechner nur grobe (!) Annäherungen.

Die Energie, die du „verbrauchst“, setzt sich zusammen aus:

1. Ruhestoffwechsel, also die Energie, die du zur Aufrechterhaltung deiner vitalen Funktionen und minimaler Aktivität benötigst. Verantwortlich für bis zu 75% deines Energiebedarfs.

2. Thermischer Effekt der Nahrung: Verdauung und Nährstoffaufnahme sind aktive Vorgänge und verbrauchen Energie; verschiedene Makronährstoffe haben einen unterschiedlichen Energiebedarf während der Verdauung/Absorption.

3. Körperliche Aktivität: Sportliche Aktivitäten, sowie alle anderen Alltagstätigkeiten wie Umherlaufen im Büro, versorgen von Kindern oder Haustieren, Rasenmähen, Treppensteigen, Einkaufen, Kochen, Staubsaugen usw.

Du siehst schon, dass da eine Menge verschiedener Faktoren zusammenkommen, die zudem individuell höchst unterschiedlich ausfallen können. Ein Bauarbeiter, der mit dem Rad fährt, hat sicherlich einen anderen Energiebedarf als der Buchhalter, der jeden Tag 90 Minuten. mit dem Auto pendelt. Und vielleicht spielt einer davon Rugby im Verein – der andere FIFA auf der Playstation.

Solange du dich also nicht einer direkten oder indirekten Kalorimetrie unterziehst, wo unter Laborbedingungen auf dich zutreffende Messwerte erstellt werden, bist du auf verschiedene Formeln zur Berechnung deines Energiebedarfs angewiesen.

Diese Formeln liefern die Grundlage, mit denen die diversen Kalorienrechner im Internet arbeiten. Von diesen Formeln gibt es mehrere, und falls es dich interessiert: Die präziseste ist die Mifflin Formel. Wobei „präzise“ relativ ist: Die Abweichungen gegenüber einer individuellen Kalorimetrie liegen bei bis zu 43%!

Soweit wissen wir, dass wir kaum was wissen

Nicht die genaue Kalorienzahl in der Nahrung, die wir essen. Nicht, wie viele dieser Kalorien unserem Körper nach der Verdauung zur Verfügung stehen. Nicht, wie viele Kalorien wir wirklich verbrennen. Und dazu kommen noch individuelle Umweltbedingungen etwa klimatischer Natur, genetische Faktoren bzw. Faktoren des „zweiten Genoms“ (also der Mikroorganismen, die v.a. in deinem Verdauungstrakt leben), hormonelle Unterschiede uvm.

Fazit (und warum bzw. wann du trotzdem zählen solltest)

Grundsätzlich würde ich dir aus den genannten Gründen grundsätzlich vom Kalorienzählen abraten, außer du hast bereits einiges erreicht mit deinen Trainingsbemühungen. Und hast nun deutlich anspruchsvollere Zielsetzungen was Leistung und/oder Körperzusammensetzung angeht. Oder, falls du partout mit anderen Strategien nicht zum Ziel kommst, etwa weil dein Hungergefühl dich immer in die Irre führt und du es nicht schaffst, eine zu deinen Zielen passende Nahrungsmenge am Tag zu konsumieren.

Die Probleme mit dem Kalorien zählen bleiben dann zwar grundsätzlich bestehen. Aber es ist dennoch die beste Methode, die wir haben, zumindest eine Ausgangslage relativ genau zu messen und von dort an die Kalorienmenge für deine Zielsetzung einem Feintuning zu unterziehen.

Title photo courtesy of CGP Grey (Creative Commons License)

Bomb Calorimeter photo courtesy of Linda Sandec (Creative Commons License)