[Stress-Serie #2] Ist Stress „nur eingebildet“?

Im ersten Teil der Serie über Stress haben wir dir 5 verschiedene Stressformen vorgestellt, die eigentlich immer auf dich einwirken. Immer? Genau. Denn Stress ist nicht immer negativ, sondern kann gut und notwendig für dich sein. Stressoren erleben wir also permanent. Die Dosis macht dann das Gift.

Die verschiedenen Stressformen lassen sich der Einfachheit halber in zwei Gruppen unterteilen:

Externer und interner Stress

Externer Stress wirkt von außen auf deinen Körper. Dazu gehören etwa das Sonnenlicht, körperlicher Schmerz durch eine Verletzung, toxische Chemikalien oder ein traumatisches Erlebnis.

Interner Stress kommt dann, natürlich, von innen. Oftmals ist er eine Reaktion auf externen Stress. Ist jemand zB. wiederholt und dauerhaft giftigen Substanzen ausgesetzt, können sich Krebs oder andere Krankheiten entwickeln. Selbst wenn dann kein Kontakt mehr zu den giftigen Substanzen besteht, übt die Krankheit nun von innen einen Stress auf den Organismus aus. Das ist natürlich ein recht extremes Beispiel. Ähnlich wäre es aber etwa in einer unglücklichen Beziehung, die ja zunächst ein externer Faktor ist. Wer die Situation kennt, weiß, dass sich dann (wie auch bei vielen anderen externen Stress Situationen) auch ein körperliches Stressgefühl einstellt. Denn der Körper reagiert durch erhöhte Stresshormone, welche u.a. das Immunsystem negativ beeinflussen können.

Stress wird von uns wahrgenommen und interpretiert. Dabei sind verschiedene Organsysteme beteiligt. Eine Schlüsselrolle kommt zweifellos dem Nervensystem zu.

Alle Stressfaktoren werden durch das Nervensystem verarbeitet

Daher “geht dir jemand auf die Nerven”, oder jemand hat “Nerven wie Drahtseile”.

Zwei Dinge kannst du hier für dich mitnehmen:

1. Dein Nervensystem unterscheidet nicht zwischen verschiedenen Stressformen: Körperlich (durch hartes Training), psychisch durch den Job oder eine schlechte Beziehung.
2. Daher kannst du dir ein Waschbecken vorstellen: Alle Stressarten, denen du ausgesetzt bist, fließen wie aus mehreren Wasserhähnen alle in dasselbe Waschbecken. Je höher das Wasser steigt, desto mehr Stress wirkt auf deinen Körper. Und wenn der Überlauf erreicht ist, stellen sich deutliche körperliche Warnsignale ein, einen Gang runterzufahren – wie zB. Krankheit.

Das Nervensystem besteht aus zwei Teilen, von denen du vll. schonmal gehört hast: Das periphere Nervensystem, das bewusste Bewegungen möglich macht. Und das autonome (vegetative) Nervensystem, dass all die Dinge reguliert, die du nicht durch bewusstes Gedanken kontrollierst – wie etwa die Verdauung, die Ausschüttung von Hormonen oder das Schwitzen.

Dieses autonome Nervensystem ist ebenfalls unterteilt. Und zwar in sympathisches und parasympathisches Nervensystem (sowie das enterische Nervensystem des Verdauungstrakts). Das sympathische Nervensystem (SNS) ist dafür verantwortlich, eine Leistungssteigerung deines Körpers in einer bedrohlichen Situation zu bewirken.

Evolutionär war das sinnvoll

Dein Körper ist so in der Lage, bestmöglich zu kämpfen oder zu flüchten, um die Gefahr zu beseitigen (“fight or flight”). Dabei werden Stresshormone freigesetzt, die deinen Puls und Blutdruck erhöhen. Außerdem wird deinen inneren Organen Blut entzogen und vor allem den Muskeln zur Verfügung gestellt (verdauende, reparierende und entgiftende Prozesse werden eingestellt).

Wenn das SNS durch Stress aktiviert ist, steigt das Stresshormon Cortisol an. Ist Cortisol erhöht, wird die Freisetzung von Wachstums- und Reparaturhormonen unterdrückt. Das gefährdet nicht nur Körpergewebe, sondern kann auf Dauer auch die Nebennieren (Hormondrüsen an den Nieren) überanstrengen und in ihrer Hormonproduktion einschränken. Dies wiederum beeinträchtigt das Immunsystem massiv!

Das parasympathische Nervensystem (PNS) wird unterdrückt, wenn das SNS durch Stress dauerhaft beansprucht wird. Das PNS stimuliert aber u.a. die Verdauung, den Stoffwechsel (wieviel Energie oder Kalorien du verbrennst) und die Freisetzung wichtiger Hormone wie Testosteron oder Estrogen. Das bedeutet für dich, dass dein Körper nicht mehr optimal:

• lebenswichtige Nährstoffe aus der Nahrung gewinnen,

• Energie verbrennen statt in der Form von Fettdepots für den Ernstfall speichern und

• sich selber reparieren und körpereigenes Gewebe erneuern (Muskelaufbau!) kann.

Ein solches Ungleichgewicht ist häufig beteiligt an chronischen Krankheiten.

Jahrelanger hoher Stress führt daher zu Krankheiten

Unser hochentwickeltes menschliches Gehirn kann uns dabei teilweise zum Verhängnis werden. Denn während andere Tiere vor allem durch ihre Instinkte beherrscht werden, haben wir die Möglichkeit, unsere Instinkte zu ignorieren und zu unterdrücken. Unsere Instinkte sind auch dafür da, Sorge zu tragen, dass wir gute Nahrung zu uns nehmen, uns ausreichend erholen und zuallererst unsere Sicherheit und unser körperliches Wohlergehen absichern. Stattdessen schmeißt dich der Wecker aus dem Bett, wenn du todmüde bist. Der Kaffee treibt dich an, wenn dein Körper dir signalisiert, dass er eine Pause braucht. Du „brauchst“ eine Tüte Weingummi und ein Eis als Nervennahrung, weil dein Körper Energie für den Ernstfall will…

Der im ersten Teil der Serie beschriebene stressige Alltag ist letztlich das moderne Äquivalent zum Davonlaufen vor einem hungrigen Säbelzahntiger. Es ist leicht zu verstehen, dass das Tag für Tag zu viel für deinen Körper sein kann!

In den folgenden Teilen der Stress Serie werden wir dir deshalb einige Anregungen liefern, wie du Stress in deinem Leben reduzieren kannst.

 

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