„Sitzen ist der Tod“ – 5 Übungen, die helfen (nur 5 Minuten!)

Die Ausgaben für Gesundheit steigen in den Industriestaaten massiv an. Zahlen gefällig? Lagen die Ausgaben hierzulande 1992 umgerechnet noch bei € 1.970 pro Einwohner, waren es 2012 (20 Jahre später) bereits € 3.740. (Quelle: Statistisches Bundesamt)

Ich persönlich bin ja ziemlich einfach gestrickt. Ich bin der Meinung, dass die Zweckmäßigkeit eines bestimmten Verhaltens (wie zB. immer mehr Geld in das „Gesundheitssystem“ zu pumpen) sich hauptsächlich an einer einzigen Frage messen lassen muss:

Bringt dieses Verhalten den gewünschten Erfolg?

 

Wenn wir mehr Geld in unsere „Gesundheit“ investieren, dann sollte doch auch bitte schön am Ende mehr Gesundheit dabei rauskommen. Logisch, oder?

Doch was heißt das eigentlich, „Gesundheit“? Fragen wir doch die, die es wissen müssen. Wie wäre es zB. mit der Welt Gesundheitsorganisation? Die haben das Ding ja immerhin im Namen. Laut WHO ist Gesundheit:

[…] ein Zustand des kompletten körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur [Hervorhebung des Übersetzers] die bloße Abwesenheit von Krankheit und Gebrechlichkeit.

 

Falls Geld zu verpulvern nicht des Problems Lösung ist, dann müssen wir unsere Gesundheit wieder mehr in unsere eigenen Hände nehmen.

 

Bewegungsqualität = Lebensqualität

Dazu gehört die Aufrechterhaltung einer natürlichen, uneingeschränkten Körperfunktion. Wie etwa die Fähigkeit zur schmerzfreien Bewegung durch eine uneingeschränkte ROM (Range of Motion) in ALLEN Gelenken.

Ich hasse es, dir das anzutun, but let’s face it: Ein paar Sätze Bankdrücken und Kniebeuge jede Woche reichen dafür nicht aus.

Die Fähigkeit der schmerzfreien Beweglichkeit wissen die meisten Menschen erst dann zu schätzen, wenn sie verloren gegangen ist. Das kann jeder bezeugen, der mal eine Verletzung nicht richtig auskuriert und sie zum chronischen Dauerzustand gemacht hat. Die psychische Belastung durch chronische Schmerzen kann immens sein.

Deshalb bekommst du heute 5 Dinge, die du täglich tun solltest – für deine Bewegungs- und Lebensqualität. Solltest du unter akuten Gebrechen leiden, lass einfach die Dinge weg, die dir Probleme (wie zB. Schmerzen) bereiten und konsultiere im Zweifelsfall den Arzt/Physio deines Vertrauens.

Diese 5 Dinge werden nicht mehr als 5-6 Minuten in Anspruch nehmen und schon direkt danach wirst du dich in der Regel deutlich besser fühlen.

Diese Kombination der 5 Übungen entstammt (zumindest meines Wissens nach) dem Hirn von niemand anderem als Bret Contreras. Seinen Originalpost zum Thema findest du hier.

1. Tiefe Hocke

Warum das eine gute Idee ist: Die tiefe Hocke wird dir helfen, deine Beweglichkeit in der Hüftbeugung aufrecht zu erhalten. Was ein fancy Weg ist, zu sagen, dass du deine Beweglichkeit in der Kniebeuge erhältst.

Die tiefe Hocke wird in vielen asiatischen Ländern, im Mittleren Osten und in Afrika sehr viel mehr von den Menschen genutzt, da es sich um ein natürliches Bewegungsmuster bzw. eine „Ruheposition“ handelt – wir hingegen haben Stühle und Sofas, was nicht immer zu unserem Vorteil funktioniert.

Für die tiefe Hocke brauchst du 95-130 Grad Hüftbeugung und 110-165 Grad Beugung im Kniegelenk. Das ist ein großer Bewegungsradius. Wenn du diese Fähigkeit regelmäßig nutzt, erhältst du sie. Ansonsten passt der Körper sich an, und die Beweglichkeit geht schnell verloren.

Dr. Stuart McGill, ein renommierter Biomechaniker und Experte für Probleme der Lendenwirbelsäule, sagt, täglich die tiefe Hocke zu üben, habe ihn vor einem andernfalls notwendigen künstlichen Hüftgelenk bewahrt.

Und wenn du Sportler irgendeiner Form bist: Die Fähigkeit zur TIEFEN Kniebeuge steht in Verbindung mit einem höheren Vertikalsprung, verbesserter Hypertrophie von Quadriceps und Beinbeuger, Aktivierung des Gluteus, Power Output in der Hüftstreckung und postactivation potentiation, (wenn du heute wirklich deinen inneren Trainings Nerd ans Tageslicht lassen willst ? ).

Wie es geht: Du brauchst keine Gewichte für diesen Drill. Keine Kurzhanteln, Kettlebells oder Langhanteln. Geh einfach mit deinem eigenen Körpergewicht in die tiefste Hocke, die du erreichen kannst, währen deine kompletten Fußsohlen den Boden berühren – auch die Ferse! Während es bei Kniebeugen mit Gewicht notwendig ist, die Lendenwirbelsäule „gerade“ zu halten, ist es bei einer tiefen Hocke mit eigenen Körpergewicht völlig in Ordnung, dich zu entspannen und auch die Wirbelsäule in die „Dehnung“ sinken zu lassen. Bleib für 30-60 Sekunden in dieser Position, steh wieder auf, fertig.

2. Gesäßmuskulatur anspannen

Warum das eine gute Idee ist: Viele bekannte Elite Coaches wie Mike Boyle, Mark Verstegen, Eric Cressey und Mike Robertson beobachten seit einigen Jahren einen alarmierenden Trend: Selbst einige Profi Athleten fielen im Kraftraum durch schwache und nur unzureichend aktivierte Gesäßmuskeln auf. Dr. Stuart McGill nennt dieses Phänomen „Gluteal Amnesia“. Das Problem ist, dass der große Gesäßmuskel (einer der größten Muskeln im menschlichen Körper) an vielen Bewegungen beteiligt ist, wie zB. beim Kreuzheben oder im Sprint. Der Gluteus Maximus kompensiert bei Bedarf für andere Muskeln und schützt Iliosakralgelenk, den unteren Rücken, die Knie, das Kreuzband, die Beinbeuger und die Hüfte vor Schmerzen und Verletzungen. Eine aktuelle Studie zeigte, dass Patienten mit Verletzungen des Rückenmarks die Ansteuerung ihrer Gesäßmuskulatur durch einfaches isometrisches Anspannen verbessern konnten, was sie in die Lage versetzte, schneller zu gehen. Es ist offensichtlich: Du hast jede Menge Gründe, die Gesäßmuskulatur und ihre Ansteuerbarkeit bestmöglich zu erhalten.

Wie es geht: Stell dich mit mittlerer bis weiter Fußstellung hin, so, dass die Zehen leicht nach außen zeigen. Nun spanne deinen Hintern für 30 Sekunden so stark an, wie du kannst. Indem du mit Fäusten gegen deinen Hintern drückst, kannst du den Effekt noch verstärken. Fertig.

3. Beinbeuger dehnen

Warum das eine gute Idee ist: Dehnen hat im Allgemeinen positive Auswirkungen wie ein verbessertes Wohlbefinden und reduzierte mentale Anspannung. Wenn die Beinbeuger zu viel Spannung aufweisen, verändern sich Hebebewegungen (wie Kreuzheben) auf negative Art und Weise. Das Dehnen der Beinbeuger verbessert daher die Hebemechanik indem die Bewegung in der Wirbelsäule reduziert und dafür die Bewegung über die Hüfte verbessert wird. Kraftsportler mit überaktiven Beinbeugern erleiden häufiger Verletzungen beim Kreuzheben. Du willst also keine hyperaktiven Beinbeuger.

Wie es geht: Es gibt viele brauchbare Dehnübungen für die Beinbeuger; stehend, liegend und sitzend. Wähle eine Übung aus, die du ausüben kannst, ohne dass sie dich unmenschlichen Qualen aussetzt. Es geht schließlich dabei auch um mentale Entspannung – was die Entspannung der Muskeln zusätzlich fördert. Halte die Dehnung für 30 Sekunden je Seite, bzw. 30 Sekunden insgesamt, falls du mit einer Übung beide Beine auf einmal abdeckst. Fertig.

4. Kruzifix Stretch

Warum das eine gute Idee ist: Unsere Gesellschaft ist die letzten Jahrzehnte über immer mehr dem Sitzen verfallen. Dieses ewige Herumgesitze ist nicht besonders vorteilhaft für die Funktion des unteren Rücken und damit verbundene chronische Beschwerden. Der typische Schreibtischtäter sitzt vornübergebeugt mit gerundeter Wirbelsäule, nach vorn gesunkenen Schultern und vorgeschobenem Kopf (immer ganz naaah an den Bildschirm ran). Wir wollen etwas gegen diese dauerhafte Position tun, um die hyperaktiven Muskeln im vorderen Bereich des Schultergürtels zu dehnen und den unterforderten Schulterblatt Retraktoren und dem Latissimus mal etwas zu tun zu geben. Der Kruzifix Stretch erfüllt diese Vorgaben bestens. Übrigens auch prima, den mal eben einzuschieben, wenn du kurz vom Schreibtisch wegkommst – es wird bestimmt gut tun!

Wie es geht: Stelle dich aufrecht hin und strecke die Arme auf Schulterhöhe zu den Seiten aus. Strecke die Wirbelsäule (Brust raus!) und bring die Schultern in die externe Rotation – also Handflächen nach Oben und Daumen nach hinten. Halte Kopf bzw. Genick neutral, oder ziehe das Kinn Richtung Brust (stell dir vor, ein Doppelkinn zu machen). Halte diese Position immer kurz für 3 Sekunden und wiederhole das ganze 5-10 mal. Fertig.

5. Tiefenatmung

Warum das eine gute Idee ist: Wir Menschen leiden heutzutage unter zu viel Stress. Das hat negative Auswirkungen auf deinen Hormonhaushalt, dein Immunsystem und deinen Stoffwechsel (Körperfettanteil anyone!?). Dieser Stress beeinflusst auch die Atmung; und eine dauerhaft flache Atmung verstärkt zusätzlich die negativen Effekte des Stress auf den Körper.

Die gute Nachricht ist, dass man seine Atmung auch schnell wieder normalisieren kann. Durch das Anwenden diverser Atemtechniken kannst du Nervosität und innere Unruhe (dieses Gefühl des Getriebenseins) reduzieren, den oxidativen Stress auf deine Zellen reduzieren, dein Nervensystem (parasympathisch und sympathisch) ins Gleichgewicht bringen, den Blutdruck und den Ruhepuls reduzieren. Kurz gesagt: Es ist sehr sinnvoll investierte Zeit, sich täglich ein paar Minuten der Tiefenatmung zu widmen.

Wie es geht: Es gibt viele effektive Methoden, die du ausprobieren kannst. Mein Favorit: Leg dich entspannt hin, lege eine Hand auf die Brust und eine auf deinen Bauch. Gehe gedanklich all deine Muskeln/Körperteile durch, und konzentrier dich darauf, sie zu entspannen, während du tief ein- und ausatmest. Zieh die Luft aktiv ganz tief (aber ruhig und langsam) in die Lungen, so als würdest du „in den Bauch“ atmen. Wenn du es richtig machst, merkst du, dass sich zuerst die Hand auf deinem Bauch hebt, und erst zum Ende der Einatmung hebt sich auch die Brust. Das Ausatmen sollte länger dauern als die Einatmung. Das wichtigste ist aber, zu entspannen und tief in den Bauch ein- und auszuatmen. Zerbrech dir den Kopf also nicht zu sehr über die Details. Verbringe 3-5 Minuten mit dieser Atemübung. Fertig.

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Diese 5 Übungen brauchen wie gesagt in der Summe nicht mehr als 5-6 Minuten. Neben der unmittelbaren Entspannung als nettem „Nebeneffekt“, werden sich bei regelmäßigem Üben schnell auch Verbesserungen des allgemeinen Wohlbefindens und der Bewegungsqualität einstellen. Kümmer dich um deinen Körper, denn du bekommst nur den einen. Häufig haben die kleinen Dinge die größte Wirkung – wenn du dir nur regelmäßig die paar Minuten Zeit nimmst.

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