
Veröffentlicht am 7.11.2023
Wer kennt sie nicht – die guten alten Stimulanzien-Geeks, die sich ohne Trainingsbooster kaum zum Training bewegen können. Die Abhängigkeit von Stimulanzien geht schneller als man denkt. Das sage ich nicht als ehemals Betroffener, sondern aus eigener Erfahrung. Die Unvernünftigen schreien jetzt auf "Halt die Klappe! Ich brauch meinen Booster!", die Fanboys feiern mich als Messias.
Stimulanzien-Geek
Das hier ist die Geschichte des Stimulanzien-Geeks, einer Kreatur, die unvernünftig, suchtanfällig und ehrgeizig ist. Die ständige Suche nach dem neuen persönlichen Rekord beim Heben, Drücken und Beugen in Kombination mit einem Repertoire unzähliger Substanzen wie Koffein und verschiedenster Trainingsbooster machen diese Kreatur nahezu unaufhaltbar – zumindest für einige Wochen, bis sie krank im Bett liegt.
Diese Kreatur war ich selbst. Ich hatte das Trainingspensum zu hoch angesetzt, immer 110% gegeben, mindestens 600 mg Koffein intus und manchmal sogar zusätzlich Booster dazu. Ich ernährte mich hochkalorisch, um dem Ganzen überhaupt noch Herr zu werden. Was folgte, waren Fettdepots jenseits von Gut und Böse, häufige Erkältungen oder Grippe und permanente Energie- sowie Antriebslosigkeit. Meine Abhängigkeit ging letztlich so weit, dass ich dachte, ich könnte kein Training mehr ohne Booster oder zumindest ohne eine Handvoll Koffeintabletten bestreiten.
Das klingt alles sehr dramatisch. Und ja, es ist irgendwie dramatisch. Meine Aufgabe ist es jetzt, dich vor denselben Fehlern zu bewahren. Nachfolgend stelle ich dir fünf Gründe vor, die gegen den Einsatz von Trainingsboostern und Koffein sprechen.
1. Künstliche Motivation
Was bewirken Stimulanzien? In erster Linie besiegen sie die Antriebslosigkeit und statten dich mit neuer Energie aus. Sie füllen deine Speicher "künstlich" auf. "Künstlich? Was soll das heißen?" Ganz kurz gesagt: Du hast keine Lust, keine Energie und null Bock, irgendetwas zu machen. Du nimmst einen Trainingsbooster und ein paar Minuten später kommt der Bewegungsdrang. Du willst am liebsten sofort aufspringen, deine Sachen packen und ins Gym fliehen, um dem Drang Herr zu werden und die neu gewonnene Energie nicht verpuffen zu lassen.
Das Problem daran ist: Wie gesagt, eigentlich hast du keine Lust, keine Energie und keine Motivation. Das kann verschiedene Ursachen haben. Zum Beispiel könntest du einfach erschöpft sein, weil du heute schon den ganzen Tag einem Freund beim Hausumbau geholfen hast. Jetzt möchtest du noch eins oben draufsetzen und deinen Körper mit zusätzlicher Belastung (Training) stressen. Dein Körper wird sich freuen!
Natürlich kann es auch woanders herkommen. Vielleicht hast du einfach keinen Bock auf eintöniges Krafttraining – und möchtest stattdessen lieber schwimmen gehen. Je nachdem, wie du dir deine Ziele setzt, kann es sogar vorteilhaft sein, eine Runde zu schwimmen. Okay, letzteres glaubst du ja selbst nicht… In solchen Fällen kannst du dir einfach einige Motivationsvideos auf YouTube anschauen, dich, verdammt nochmal, zusammenreißen und ins Gym gehen. Der einfache Weg wäre, einen Trainingsbooster zu schlucken, ein Video anzuschauen und auszurasten. Wie du willst. In so einem Fall wäre es theoretisch in Ordnung. Aber vielleicht überzeugen dich ja die anderen vier Punkte.
2. Abhängigkeit
Das Gefährlichste an Trainingsboostern (dazu zählt auch Koffein, theoretisch auch Koks und Amphetamin) ist die Abhängigkeit, die sich mit der Zeit entwickelt. Einige Menschen verharmlosen diesen Effekt. So auch mein Freund Ruppert, der sich selbst als Kaffee-Junkie beschreibt. Wenn du Kaffee so geil findest, warum dann nicht entkoffeiniert? Gibt es deinen Lieblingskaffee nicht entkoffeiniert? Okay…
Das fängt beim Kaffee schon an. Ja, wenn ich morgens aufstehe, bin ich energiegeladen und kann in den Tag starten. Ich kenne genügend Menschen, die für so einen Effekt erst ein oder zwei Tassen Kaffee brauchen. Was für eine absurde Abhängigkeit (sorry für die harten Worte!). Ich verstehe dich, Kaffeeliebhaber – keine Angst. Du trinkst ihn ja zum Genuss. Das mache ich mit Schokolade und Kakao.
Eine weitere Art von Sucht ist die Geilheit nach PRs (Personal Records). Die Stimulanzien bewirken oft eine kleine Leistungssteigerung. Es ist somit leichter, gewisse Ziele zu erreichen. Wenn du dir vornimmst, heute deinen neuen Rekord im Kreuzheben aufzustellen und dir noch einen Booster einwirfst, wird es dir höchstwahrscheinlich leichter fallen. Ich bin mir zwar sicher, dass du es auch ohne schaffen würdest, aber gut – ich kenne den Gedankengang.
3. Geborgte Energie
Im ersten Punkt habe ich es schon angesprochen: Dein Körper hat meist Gründe, warum er nicht so funktioniert, wie du es dir wünschst. Nach extremer Anstrengung (außergewöhnlichen Situationen, die eben nicht alltäglich sind) kannst du von deinem Körper keine Höchstleistung fordern; das wird in den meisten Fällen schiefgehen.
Du musst daran denken, genügend Pausen und Ruhezeiten einzulegen. Sonst wirst du schnell verletzungs- und krankheitsanfällig. Booster verlagern lediglich deine vorhandene Energie – sie leihen sich Energie von morgen, um deine heutige Leistung zu steigern. Das ist ein gefährliches Spiel mit der eigenen Gesundheit, wenn du die Ruhephasen zu weit nach hinten schiebst oder gar auslässt.
4. ZNS-Overload
Und das, lieber Freund, führt uns auch schon zum zentralen Nervensystem (ZNS), das du damit wunderbar überforderst. Mit ehrgeizigen Zielen und genügender Verbissenheit könntest du auch ohne Stimulanzien an deine Grenzen gehen. Ich muss mich manchmal selbst daran erinnern, lieber eine Pause zu viel als zu wenig einzuplanen. Immer an seine Grenzen zu gehen, ist extrem anstrengend und stressig für den Körper (ich empfehle dir übrigens auch Rupperts Artikelserie über Stress!). Pausenzeiten sind deshalb unentbehrlich – umgehe sie nicht mit irgendwelchen Pillen oder Pulvern.