5 Grundregeln für anfänger
Der heutige Artikel ist für die Anfänger unter uns. Ein bekannter Strength Coach hat mal gesagt, dass heute „jeder advanced ist“. Und meinte damit die Eitelkeit vieler Trainierender, die das Wort „Anfänger“ als etwas schlimmes, unehrenhaftes, ja sogar beleidigendes empfinden.
Fitness, Krafttraining, Athletik. Egal welches Wort für deine Ziele passender ist: Es funktioniert nicht anders als bei allen anderen Fähigkeiten, die du potenziell meistern kannst: Du musst nunmal irgendwo anfangen.
Das ist nicht schlimm, sondern doch sehr gut! Du hast dich entschieden, einen Weg zu beschreiten, der dir mit der Zeit viele Vorteile bringen wird. Mehr Leistungsfähigkeit, Einsatzwillen, Disziplin, Eigenverantwortung, einen ästhetischeren Körper (was auch immer das für dich genau bedeutet), Geduld, die Fähigkeit mit Rückschlägen umzugehen und Probleme zu lösen. All das trägt bei zu mehr Selbstbewusstsein und verändert dadurch Menschen, ihr Leben und ihren Umgang mit ihrem Umfeld – massiv! Ich hab all das schon oft genug gesehen. Deshalb nochmal: Es ist toll, dass du dich entschieden hast, Anfänger in diesem Bereich zu werden. Schön, dass du dabei bist.
Als Anfänger solltest du aber unbedingt ein paar Grundregeln lernen, die für alle Athleten/Kraftsportler gelten. Ganz gleich auf welchem Fähigkeitslevel.
Wenn du diese Grundregeln missachtest, passiert vor allem eines: Du sabotierst dich selber und legst dir von vornherein (große) Steine in den Weg.
Das passiert oft aus mangelnder Geduld, übermäßigem Enthusiasmus und dem Wunsch, am besten schon übermorgen am Ziel zu sein. Doch tatsächlich erreichst du damit meistens genau das Gegenteil.
1. Lass dein verdammtes Ego vor der Tür!
Bei kaum etwas ist so viel Ego im Spiel wie im Krafttraining. Meiner Erfahrung nach steht die schöne Weiblichkeit den Männern in dieser Hinsicht übrigens überhaupt nicht nach!
Spar dir den Stolz. Ein Freund von mir, der seinen Lebensunterhalt damit verdient, Menschen zu trainieren, verwendet in den sozialen Netzwerken gerne das Hashtag „Whitebeltmentality“, eine Referenz an die Kampfkünste. Es ist sinnvoll, über so etwas mal kurz nachzudenken. Noch sinnvoller ist es, sich diese Einstellung zu eigen zu machen. Egal mit was du gerade beginnst. Vor allem im Kraftsport.
Sagen wir, du gehst in ein Karate Dojo, um Karate zu lernen. Selbst wenn du schon 10 Jahre geboxt hast: Du beginnst als unbeschriebenes Blatt mit einem weißen Gürtel. Du lernst den respektvollen Umgang gegenüber deinem Sensei und deinen Mittrainierenden. Du lernst Disziplin und Rücksicht. Du lernst, auf die Details achtzugeben. Der Teufel steckt immer im Detail! Vor allem lernst du durch diesen ganzen Prozess, dass du nichts weißt bzw. dich leeren musst von dem, was du bereits glaubst du wissen, um die wichtigen und notwendigen Grundlektionen aufsaugen zu können. Denn nur wenn du als Weißgurt das richtige Fundament legst, wirst du irgendwann mal ein Schwarzgurt sein können.
Sei ein Weißgurt!
2. Wer sind Sie und wohin wollen Sie!?
Die allermeisten Trainingsanfänger fallen in eine von zwei Kategorien:
• Du weißt, wo du stehst. Zb., dass du dich in deinem Körper elendig fühlst und mindestens zwölfzig Kilo zu viel hast. Was du nicht weißt, ist, wohin du eigentlich willst. Aber um ein Training sinnvoll zu gestalten, sollte man schon konkretere Vorstellungen haben als: „Naja, also ich würde gerne ein bisschen abnehmen und ein bisschen Muskeln aufbauen und ein bisschen Ausdauer bekommen und ein bisschen beweglicher und ein bisschen… […]“
• Du weißt, wo du hinwillst. Nämlich mindestens Olympia. Aber du hast keine (realistische) Vorstellung davon, wo du aktuell stehst. Und somit auch nicht davon, wie weit du von deinem Ziel entfernt bist und was sinnvolle nächste Schritte sein könnten bzw. die Faktoren, die dich am meisten zurückhalten.
Ich will dir hier nicht mit der alten Leier von den „SMART“ Zielen kommen. Aber bevor du anfängst, wild drauflos zu trainieren, mach eine realistische Bestandsaufnahme: Wie ist meine Leistungsfähigkeit derzeit? Beherrsche ich überhaupt die Technik der Übungen, die mich voranbringen werden? Wohin will ich, welches Ziel würde mich motivieren? Ein Ziel braucht kein Kraftwert zu sein – sehr motivieren kann auch „Skill basiertes“ Training sein – hier wäre ein Ziel zB. freistehende Handstand Pushups zu können.
Wenn du weißt, wo du stehst und wohin du willst, erst dann kannst du dir bzw. anderen die Frage stellen: Wie komme ich am besten von A nach B? Und nur dann bekommst du auch eine gute Antwort.
3. Form vor Gewicht!
Dieser Aspekt ist so sehr gesunder Menschenverstand, dass es mir eigtl. fast schon widerstrebt, ihn in diese Liste aufzunehmen. Es ist viel zu offensichtlich. Und warum behellige ich dich dann trotzdem damit? Weil ich jede Woche mindestens dreiunddrölfzig mal sehe, dass dagegen verstoßen wird.
Hauptsache mehr Gewicht auf die Stange klatschen und nur noch die halbe Bewegung ausführen. Sieht ja aber super kräftig aus. FALSCH! Es signalisiert höchstens jedem in deiner näheren Umgebung, dass du keinen Plan hast, was du da eigentlich veranstaltest.
Dieser Punkt hängt ganz stark mit dem lieben Ego aus Grundregel 1 zusammen. Es darf ja um Gottes Willen niemand mitbekommen, dass du ein Anfänger bist!
Also lieber die etwas schwierigere Progression für den Klimmzug oder die Pistol wählen und dann eine Abfall-Wiederholung nach der anderen zusammenstümpern – LIKE A PRO!
Nochmal 20kg drauf beim Kreuzheben? Runder Rücken, Bandscheibenvorfall, leider geil!
Zwar keine Ahnung, worauf es beim Snatch Grip High Pull ankommt – aber hey, steht im WOD auf crossfit.com!
Wenn du deinen Mitmenschen (und dir selber) wirklich was beweisen willst: Fang mit den Basics an und perfektioniere sie. Lerne eine saubere Air Squat und dann eine Goblet Squat, bevor du dir eine Langhantel irgendwohin packst. LERNE die richtige Technik, nicht nur mit Youtube Videos. Hol dir Hilfe von jemandem, der Ahnung hat. Film deine Lifts und suche nach Verbesserungspotenzial. Merze deine Kraft- und Beweglichkeitsschwächen aus.
Verdien dir mehr Gewicht und fortgeschrittene Übungen. Du würdest einem Fahranfänger ja schließlich auch nicht den Zündschlüssel für einen Formel 1 Boliden in die Hand drücken.
(Wahrscheinlich hat so eine Karre keinen Zündschlüssel, das ist nicht der Punkt ? )
4. Paralyse durch Analyse
Wenn du die Fragen aus Punkt 2 für dich geklärt hast, dann kannst du (allein oder mit Hilfe eines Trainers) einen sinnvollen Plan erstellen. Und wie geht es dann weiter?
Ein Plan nützt dir nur dann, wenn du ihn auch ausführst. Und zwar nicht nur 2 Wochen, bis dein durch Social Media auf ADS getrimmtes Gehirn was Spannenderes entdeckt hat. Wenn du weißt, dass du Schwierigkeiten hast, bei der Stange zu bleiben statt stets nach der nächsten „Wunderwaffe“ zu suchen, dann meide diese Art der Information. Zumindest lange genug, bis du wirklich beurteilen kannst, ob dein aktueller Plan für dich funktioniert. 8 Wochen solltest du schon investieren – und notfalls Scheuklappen aufsetzen.
Wir lesen alle die Überschriften:
„Sprinten für optimalen Fettabbau“
„Kettlebells für deinen Traumkörper“
„Gymnastics für übermenschliche Stärke“
„Plyometrics für unfassbare Explosivität“
Die permanente Versuchung, zu einem neuen Programm oder einer anderen Trainingsmethode zu wechseln. Die Überlegung, noch dies, das und jenes zu deinem existierenden Plan hinzuzufügen – wie sollst du sonst Fortschritte machen? Jedenfalls nicht, wenn du dich auf alles und nichts konzentrierst!
Finde einen guten Plan für dich – dabei ist die Analyse natürlich wichtig. Aber dann: Schalte den Kopf auf standby und konzentrier dich auf die Ausführung. Bis zum Ende!
Das bringt uns zum 5. Punkt:
5. Beständigkeit ist der entscheidende Faktor vor allem für Anfänger
Was du brauchst, sind nicht unendlich verschiedene Übungen, alle zwei Wochen ein neues Programm mit anderen Geräten, oder laufend neue Ernährungspläne mit aufregenden Strategien wie Carb-Backloading oder 20 verschiedenen „Superfoods“ am Tag. Was du brauchst, ist Beständigkeit.
Es braucht Zeit, um eine Adaption in materieller Form herbeizuführen. Sieh dir die Elbphilharmonie an!
Hamburger Humor beiseite: Krafttraining zwingt deinen Körper zur Adaption, richtig. Deine Knochen werden dichter, deine Sehnen und Bänder werden stärker, auch die Muskeln verändern sich – aber diese Prozesse brauchen Zeit. Und zwar vermutlich mehr Zeit, als unendliche Marketing-Versprechungen dich haben glauben lassen.
[Tweet „Du wirst niemals deine Traumfigur mit einer 30 Tage Challenge erreichen. „]Nach einem Jahr Beständigkeit hingegen wirst du vermutlich ziemlich zufrieden sein mit dem, was du erreicht hast. Und selbst dann ist es wahrscheinlich, dass du noch nicht am ultimativen Ziel angelangt bist. Hohe Ziele sind in Ordnung. Nur musst du auch wissen, dass diejenigen, die solche Ziele erreicht haben, in aller Regel Jahre investiert haben. Plural.
Beständigkeit ist der entscheidende Faktor. Es ist kein Sprint, es ist ein Ultra-Marathon.
Diese Botschaft ist nicht sonderlich sexy. Und verkauft sich wahrscheinlich auch nicht gut als Buchtitel. Aber es ist besser, dass du von Anfang an weißt, worauf du dich einlässt. Indem du die 5 Grundregeln beachtest, machst du schonmal einen ordentlichen Schritt nach vorn als Anfänger.
Title photo courtesy of frankieleon (Creative Commons License)
„Sprinten für optimalen Fettabbau“
„Kettlebells für deinen Traumkörper“
„Gymnastics für übermenschliche Stärke“
„Plyometrics für unfassbare Explosivität“
Die permanente Versuchung, zu einem neuen Programm oder einer anderen Trainingsmethode zu wechseln. Die Überlegung, noch dies, das und jenes zu deinem existierenden Plan hinzuzufügen – wie sollst du sonst Fortschritte machen? Jedenfalls nicht, wenn du dich auf alles und nichts konzentrierst!
Finde einen guten Plan für dich – dabei ist die Analyse natürlich wichtig. Aber dann: Schalte den Kopf auf standby und konzentrier dich auf die Ausführung. Bis zum Ende!
Das bringt uns zum 5. Punkt:
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