Symmetrie – Die natürliche Balance des Körpers
Powerlifter möchten so viel wie möglich Gewicht bewegen und Bodybuilder wollen das bestmögliche Erscheinungsbild (die beste Symmetrie) kreieren. Zwei ehrenwerte Ziele, die unter folgende Kategorie fallen: Verbesserung, nein… Optimierung! Ein Artikel mit einem Blick über den Tellerrand.
Die kurze Geschichte vom mir
Innerhalb meiner Jugend durchlief ich verschiedene Phasen. Eine davon war „so breit wie möglich“ zu werden. Orientiert an den ganz großen Jungs, die jedes Jahr auf der Bühne um den Titel Mr. Olympia kandidieren. Kai Greene bespielsweise fand ich so cool und inspirierend, dass ich fortan nur noch im roten Hoodie trainierte. Markus Rühl hat mich zum Postworkout-Snickers gebracht und alle in ihrer Gesamtheit zum Protein-Overload und mästen meines eigenen Körpers.
Während der Zeit meines Trainings habe ich mich verändert und mit mir auch meine Ziele. So setzte ich mich schließlich das Ziel so stark wie möglich zu werden, wurde auf dem Weg dorthin aber mit einigen Problemen konfrontiert, die meinen Fortschritt massiv ausbremsten. Da wäre das Hohlkreuz, der Rundrücken, die Skoliose (die eigentlich gar keine Probleme macht) und einige Wehwehchen, die ich mir hin und wieder vor allem außerhalb des Gyms zugezogen habe.
Vorletzte Woche war ich in meiner Heimatstadt zu Gast und nutzte die Gelegenheit um mit meinem alten Freund Hansi zu trainieren. Ja, Hansi ist ein ehemaliger Bodybuilder, der zu DDR-Zeiten einige Wettkämpfe bestritt. Nach eigener Aussage war er früher ähnlich verrückt und verbissen. Mit der Zeit sieht man die Dinge aber anders und er geht nun auch einer anderen Philosophie nach. Als ich damals mit Kraftsport anfing war er es, der mir sagte, ich solle mir und meinem Körper Zeit geben. Ich wäre noch jung, unerfahren im Sport und habe alle Zeit der Welt. Im Jugendlichen Leichtsinn ignorierte ich hin und wieder seine Ratschläge. Die Folge waren Wehwehchen, die mich ausbremsten. Ich achtete nicht auf die Technik und wurde ziemlich schnell bestraft. Andere werden für sowas entweder erst sehr spät bestraft oder die Strafe bleibt gänzlich aus. Das sind dann die „Ich mach das schon seit Jahren so – der Erfolg gibt mir Recht“-Fraktion.
Lange Rede, kurzer Sinn: er hatte Recht. Ich war noch nicht so weit, hatte keinerlei Erfahrung und hätte mir eine Menge Ärger, Zeit und Nerven ersparen können, wenn ich auf ihn gehört hätte. Hansi ist ein Bodybuilder der alten Schule. Nein, kein rülpsender, furzender und laut-schreiender Steroid-Bodybuilder. Er ist ein überlegter, alter Veteran, der seinen sportlichen Erfolg nun im fortgeschrittenen Alter im Radsport sucht und auch findet.
Und als Bodybuilder der alten Schule hat er ähnlich über die „Kunst seinen Körper zu formen“ gesprochen wie einst Arnold Schwarzenegger. Symmetrie. Mächtige Schultern, Gorilla-ähnliche Brust, brachiale Rückenmuskeln und dezente (!) Beinmuskeln.
Bodybuilder: Symmetrie
Diese Sache von der Hansi gesprochen hat, ist die klassische V-Optik. Warum V? Nunja, weil der Oberkörper enorm aussehen soll und die Beine sich dem Gesamtbild fügen. Früher, also vor der Ära der Hilfssubstanzen, war es für die meisten gar nicht möglich Mr.Olympia-Keulen zu bekommen. Man trainierte seine Beine nicht etwa nicht, sondern mit einer besonderen Hingabe, wenn man den Legenden glauben schenken mag. Kniebeuge, Variationen der Kniebeuge und später dann lustige Maschinen-Übungen wie die Beinstrecker- und Beinbeugermaschine waren nichts außergewöhnliches, sondern purer Standard. Von Diskopumpern kann man also keinesfalls sprechen.
Es ist mir leider nicht möglich Bilder in den Artikel einzubauen, da wir die Rechte daran nicht besitzen. Also spielen wir ein Spiel: ich nenne hin und wieder Namen und Du googelst nach Bildern der betreffenden Person – aufregend, oder?
Typische Vertreter der traditionellen V-Form: Frank Zane (mein persönlicher Favorit, was Ästhetik betrifft), Arnold Schwarzenegger (in seiner naturalen Zeit mit einem Ganzkörperplan unterwegs), Eric Helms (natural), Eugene Sandow (natural), Reg Park.
Ein kleiner Mix neumodischer Bodybuilder und die „New School“-Körperform: Ronnie Coleman, Kai Greene, Phil Heath, Jay Cutler, Dennis Wolf (deutsch), Ronny Rockel (deutsch).
Gegoogelt? Fein. Siehst Du den Unterschied? Erkennst Du noch eine Symmetrie, eine Balance, eine bestimmte Körperform? Meine letzte offene Frage an Dich: ist das ein Formen seines eigenen Körpers oder purer Muskelmasse-Aufbau? Steht der „Körperkult“ noch im Vordergrund oder aber das Extreme? Übrigens bieten sich die neumodischen Bodybuilder nicht wirklich als Vorbild an ?
Powerlifter: Symmetrie
Bei Powerliftern ist die Symmetrie eine andere. Der klassische Powerlifter definiert sich über seine Kraftwerte. Nein, falsch. Der klassische Powerlifter definiert sich darüber, wie viel Gewicht er bewegt. Der Unterschied ist hier signifikant: es ist möglich mehr Gewicht zu bewegen, ohne wirklich stärker zu sein. Wir dürfen unseren liebsten Freund, die richtige Ausführung, nicht vergessen. Technik ist bei Powerliftern häufig wirklich alles. Wenn Du die Bewegung genau so schon 5.000 Mal gemacht hast, hast Du dieses Bewegungsmuster wohl perfektioniert. An dieser Stelle bleibt zu erwähnen: die für DICH richtige Technik. Die Länge deiner Extremitäten und deine restlichen körperlicheren Voraussetzungen spielen dabei eine Rolle. Dinge wie Verkürzungen, Verspannungen sollten natürlich schon behoben sein, um eine gute Technik zu gewährleisten.
Ich habe Technik-Artikel zu Kniebeuge, Kreuzheben und Bankdrücken veröffentlicht, die Dir helfen eine solide Technik zu finden. Davon ausgehend kann man leichte Modifizierungen vornehmen wie Standweite, Griffweite, Rotationen… Alles unter dem Gesichtspunkt der Einzigartigkeit eines Trainierenden. Ja, ich kenne die Science-Ansichten: alle Menschen funktionieren gleich. Ja, schon, prinzipiell. Aber so einfach ist es dann doch nicht. Die Wissenschaft beschäftigt sich mit dem durchschnittlichen Menschen, Du bist aber kein Durchschnitt.
[Tweet „Die Wissenschaft beschäftigt sich mit dem Durchschnitt, Du bist aber kein Durchschnitt.“]Powerlifter streben also möglichst hohe 1RM-Werte an. 1RM beschreibt wie viel Gewicht Du einmal bewegen kannst. Es gibt Powerlifter, die spezialisieren sich auf eine bestimmte Übung (Kreuzheben, Kniebeuge, Bankdrücken). Das heißt aber nicht, dass sie die anderen nicht trainieren. Kraftdreikämpfer, wie Powerlifter in Deutschland genannt werden, müssen aber eine gute Gesamtwertung erreichen. Diese berechnet sich aus dem geschafften Gewicht bei Bankdrücken, Kreuzheben und Kniebeuge – also allen drei Übungen.
Du siehst, auf was ich hinaus möchte. Powerlifter sind bestrebt eine Symmetrie in diesen drei Übungen zu erreichen, also ein möglichst hohes „Total“, wie es so schön heißt. Die Symmetrie ist insofern wichtig, da sie Stärken eine Schwächen eines jeden Einzelnen berücksichtigt. Wenn jemand 100kg Bankdrücken, 100kg Kniebeuge und 100kg Kreuzheben bei einem Wettkampf startet, ist das sicherlich kein ausgeglichener Athlet. Brust zu stark, Beine zu schwach und was ist mit dem Kreuzheben los? Haben wir es etwa mit einem „Diskopumper“ zu tun, der sich verirrt hat?
Powerlifting ist keine wirklich so spezielle Sache wie Bodybuilding. Das beziehe ich auf die Zielstellung. Betreibst Du diesen Sport, bist Du bestrebt deine Kraftwerte in allein drei Übung so hoch wie möglich zu bekommen. Ästhetik wiederum ist sehr speziell, da jeder anders empfindet. Der Eine liebt riesige, voluminöse Brustmuskeln, der andere wiederum relativ flache plattenartige Muskeln. Ob jeder das gleiche Ziel erreichen kann? Nein. Die Genetik spielt eine zu große Rolle, aber das ist nicht das Thema des Artikels.
Qual der Wahl oder der Mittelweg?
Als Freizeitsportler, der das Ganze als Hobby betrachtet ist es schwierig den richtigen Ansporn zu finden. Eifere ich nun einer bestimmten Gewichtszahl beim Bankdrücken nach, möchte ich meinen Trainingspartner überbieten, möchte ich die tollsten Schultermuskeln oder aber trainiere ich ziellos daraufhin? Warum Ziele wichtig sind, haben wir in anderen Artikeln schon zur Genüge thematisiert. Dennoch: selbst ohne Ziel und mit einfacher Progression (Gewichtssteigerung / mehr Wiederholungen => Verbesserung) macht man etwas für seinen Körper. Man arbeitet gegen den Widerstand des Gewichts und stärkt ihn somit.
Bist Du nicht Wettkampforientiert (Bodybuilding oder Powerlifting spielt keine Rolle), kannst Du dir dennoch Ziele setzen, die mit denen von Wettkampfathleten identisch sind. Wie eingangs schon erwähnt ist das im Bodybuilding beispielsweise die Balance der einzelnen Körperpartien und beim Powerlifting die Balance des bewegten Gewichts in den drei großen Übungen. Das Schöne daran: als (naturaler) Athlet schließt das eine das andere nicht aus. Du kannst gleichermaßen verdammt stark werden und dennoch wunderbar symmetrisch und ästhetisch erscheinen.
Vor einiger Zeit wurde ein Artikel auf einer englischsprachigen Powerlifting-Seite veröffentlicht, der sich mit den Trainingsmethoden für Powerlifter beschäftigte. Der reißerische Titel war sinngemäß „Warum Powerlifter mehr wie Bodybuilder“ trainieren sollten. Und genau das ist der Knackpunkt. Warum sollte man auf einige Übungen verzichten, die nicht ultimativ das Kreuzhebe steigern, dafür aber den Schultergürtel und somit zu mehr Ästhetik führen? Weil es Powerlifter nicht empfehlen? Du weißt schon, wer die Kerle sind, von denen Du dir da Tipps holst, oder? Gestandene Powerlifter oder Bodybuilder, die 1. Wettkampferfahrung haben 2. ihre Ziele SEHR spezifisch festgelegt haben 3. unterschiedliche Stärken & Schwächen haben (hast Du genau die gleichen?) 4. oftmals einfach nur eine kranke Genetik besitzen (ich zweifle damit nicht ihre Kompetenz an!).
Zielsetzung ist in dem Sport das A und O. Gesundheit, Präventionstraining, Reha-Training, athletischer Körper / Strandfigur, aufgepumpte Diskopumper-Figur, Profi-Bodybuilder, Wettkampf-Powerlifter, Fitness, Ausdauer, Sprinter… Für alles ist der Kraftsport ein brauchbares Werkzeug. Man kann durchaus sehr gute Trainingspläne basteln, die den eigenen Anforderungen gerecht werden. Einfach ist das für Laien nicht (und die sollten auch Abstand davon nehmen und einen Experten um Rat fragen), aber Menschen, die sich das Wissen über Jahre angeeignet haben, sind dazu in der Lage. Es ist also kein „Entweder oder“-, sondern viel mehr ein „mach’s mit Köpfchen“-Szenario.
Zwei weiterführende Video-Tipps für Dich (in englischer Sprache): Omar Isuf – „Natty vs Enhanced (Steroids): Building Muscle“ und Omar Isuf – „How Much Muscle Can You Build Naturally? (The Truth)“
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