Joggen fürs Abnehmen? Nee, lass mal…
Disclaimer: Auch wenn ich mich redlich bemüht habe, beim Schreiben dieses Artikels neutral zu bleiben, sollte ich vielleicht erwähnen, dass ich stumpfes Dauerlaufen hasse wie die Pest. Jetzt weißte Bescheid.
Und nun: Hand aufs Herz! Jeder hat wohl schonmal gehört, dass man zum Abnehmen und Fettverbrennen Joggen sollte. Oder aerobes Cardiotraining durchführen. Einen anderen Grund als solche Irreführung kann ich mir eigentlich auch nicht vorstellen dafür, dass in jedem Fitnessstudio gefühlte 83 Laufbänder, Heim- und Ellipsentrainer rumstehen.
Und im Gegensatz zum Squat Rack auch keinen Staub fangen. Naja, man kann ja auch so schön fernsehen dabei… Die hartgesottenen haben diese Stufe überwunden und sind bei Wind und Wetter draußen unterwegs. Hippe Funktionskleidung in den Farben der Saison, iPod Armbänder, einen unnatürlichen Laufstil ermöglichende quietschbunte Schuhe und der für alle Strecken über 5km obligatorische Läufergürtel mit leckerem Energy Gel sind dabei (scheinbar) die Mindestausstattung.
Und dann gibt es diese magische Pulszone.
Du weißt schon, für optimale, nein, für die aller optimalste Fettverbrennung! Der ganze Schweiß, der dir dabei runterrinnt ist quasi geschmolzenes Körperfett.
Glauben zumindest viele, denn der Mythos stirbt einfach nicht aus. Aber wie schaut es wirklich aus?
Joggen ist besser als auf dem Sofa zu liegen und Chips zu futtern
Als absoluter Neuling in Sachen körperlicher Aktivität kannst du damit kurzfristig ein wenig Körperfett loswerden. Nach diversen Studien zu urteilen, sind diese Ergebnisse nicht von nachhaltiger Natur.
Aerobes Cardiotraining wie Joggen (und die typische monotone Einsatzweise der genannten Fitnessstudiogeräte) ist ganz im Gegenteil eine fiese Fettfalle. Mit dieser Art des Trainings erziehst du nämlich deinen Körper, die Fortbewegung so effizient wie möglich zu machen. Also möglichst wenig Sauerstoff und Energie zu verbrauchen. Und dieser Anpassung fällt Muskelmasse zum Opfer. Deine Muskeln sind aber (neben dem Gehirn) der größte Energieverbraucher, vor allem auch dann, wenn du nicht trainierst.
Aber die Pro Bodybuilder stehen doch auch stundenlang auf dem Stepper!
Sicher richtig. Aber ich wette, die machen auch sonst viele Dinge, die du nicht machst, die für dich nicht funktionieren, und haben einen Hormonhaushalt, mit dem du nicht konkurrieren kannst. Okay?
Was hast du also für die Fettverbrennung davon, wenn du während deines 45 Minuten Läufchens zwar relativ gut verbrennst, aber die restlichen 1395 Minuten des Tages wenig (und mit zunehmender Trainingsdauer immer weniger)? Nicht viel! Interessieren sollte dich, mit welcher Trainingsform du insgesamt am meisten Fett verbrennst. Widerstandstraining z.B. mit freien Gewichten oder intensives Intervalltraining sind um Längen erfolgversprechender. Eine Studie, die neun Jahre lang fast 13.000 Läufer begleitete, kam zu dem Ergebnis, dass nur diejenigen kein Körperfett zunahmen, die ihre Leistung über diesen Zeitraum stetig und signifikant steigerten. Und nochmal: Deren „Erfolg“ bestand darin, kein Körperfett zuzunehmen.
Aber brauche ich Joggen nicht, um mein Herzkreislaufsystem gesund zu halten?
Kurz gesagt: Nein. Eine Vielzahl an Studien haben in den letzten Jahrzehnten belegt, dass Aktivitäten wie Gewichtheben oder intensives Intervalltraining mindestens (!) gleichwertig sind, was diesen gewünschten Effekt betrifft. Und wenn es einfach nur um Gesundheit und ein langes Leben geht – ich kenne diese uralten Säcke auf Okinawa zwar nicht persönlich, aber ich versichere dir, dass von denen keiner joggt. Ernährung, ein aktiver Lebensstil, der Umgang mit Stress und Umweltfaktoren spielen eine viel größere Rolle.
Aber, aber… ist laufen nicht funktional?
Kommt drauf an, was wir hier unter „laufen“ verstehen. Ich sag ja nicht, du sollst dich alternativ nicht mehr von der Couch hochbewegen. Aber sowohl unsere Anatomie als auch anthropologische Erkenntnisse weisen allesamt mit riesigen Zaunpfählen darauf hin, dass wir für zwei Formen der Fortbewegung geschaffen wurden: Gehen. Und sprinten.
Und wenn du wirklich glaubst, dass unsere Vorfahren stundenlang durch die Gegend traben mussten, um sich am Abend ein Antilopensteak zu braten, hast du so viel Ahnung vom Jagen wie der Papst von Verhütung. Bitte, bitte: Bau dir einen Speer, und geh drei Stunden im nächsten Wald herumjoggen. Und erzähl mir hinterher, wie viele Tiere du auf diese Weise erlegt hast.
Und auch als moderner Mensch fällt mir kein Beispiel ein, bei dem ich stundenlang in moderatem Tempo rumtrotten müsste. Sprinten? Ja. Gehen? Ja. Joggen? Meh…
drei Anregungen für cleveren Fettabbau:
1. Geh „spazieren“. Frische Luft tut gut. Eine zügige Runde zwischen 30-60 Minuten jeden Tag oder so oft wie möglich. Mit (gefülltem) Rucksack, Gewichtweste oder einfach nur so.
2. Sprinttraining.
3. Du machst Krafttraining mit freien Gewichten? Heb schneller Gewichte! Häng weniger rum während deines Workouts, um in Zeitschriften zu blättern, auf Facebook zu posten oder attraktive Menschen des anderen Geschlechts zu beobachten. Setz dich zwischen den Übungen nicht hin.
PS: Wenn laufen dich einfach glücklich macht und du dir nichts besseres vorstellen kannst, als deine Freizeit mit stundenlangem, drögem Rumgetrabe für irgendwelche Halbmarathons zu füllen – bitte! Wenn es dein Lebenssinn ist und du dich gern im Wettkampf misst, kannst du beruhigt über der „Kritik“ stehen. Dieser sehr spezifische Sport erfordert sehr spezifisches Training. Verbuchen wir es unter „Berufsrisiko“. Das ändert aber nichts an den obenstehenden Fakten, auf „normale“ Menschen mit nicht-wettkampfbezogenen Zielen. Versuch als begeisterter Läufer bitte, nicht in die reflexartige Rationalisierungs- oder Realitätsverweigerungsfalle zu stolpern. Für deine kognitive Dissonanz können wir nichts.
Title photo courtesy of Danimu (under Creative Commons license)
Running shoes photo courtesy of Timothy Takemoto (Creative Commons License)
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